Was ist eigentlich eine „Klagerücknahme“?

Der Bürgermeister und der örtliche Bauunternehmer – ein Paar, dass es wohl in jedem Dorf gibt. Zwei wie Pech und Schwefel, Inbegriff des Klüngelns – nicht nur in Köln. Bis sie eines Tages aufeinandertreffen, an einer Kreuzung, mitten im Ort. Der Bauunternehmer fährt natürlich eine fette Kiste, 12 Zylinder oder so, er verspürte einen leichten Widerstand. Der Bürgermeister kann sich so etwas nicht leisten und sitzt nun in einem Haufen Schrott. Doch der Bauunternehmer befuhr die Hauptstraße und kam von rechts. Was nun?

Natürlich tut der Bürgermeister das einzige, was er kann: Er nutzt sein dichtes Netz aus Kontakten. Kurz darauf meldet sich eine Zeugin, die bei der Polizei Seltsames zu berichten weiß. Aufgrund ihrer Aussage erhebt der Bürgermeister dann Schadensersatzklage. 100 % wolle er haben, womit gemeint ist: Wenn ich wenigstens 50 % bekomme bin ich zufrieden.

Im Prozess wiederholt die Zeugin nahezu wortgleich ihre Aussage:

„Mein Haus steht direkt an der Kreuzung. Vom Küchenfenster aus kann ich die Kreuzung sehen, vom Wohnzimmer aus kann ich die Hauptstraße beobachten. Ich stand am Wohnzimmerfenster und sah den Bauunternehmer die Hauptstraße entlang fahren. Er war schnell, so schnell, dass ich schon dachte: das kracht bestimmt gleich an der Kreuzung. Ich lief deshalb schnell in die Küche und konnte gerade noch sehen, wie der BMW des Bauunternehmers in das Auto des Bürgermeisters – der wirklich sehr langsam fuhr – krachte.“
„Und vom Wohnzimmer kann man direkt in die Küche gehen?“, fragt der Richter. „Ja, die Tür ist immer offen, die zwei Zimmer sind eigentlich wie ein Raum.“
Süffisantes Grinsen des Bürgermeisters.

Aber wir haben diese Situation kommen sehen und sind vorbereitet. Ich stelle nur eine einzige Frage: „Wurde ihr Haus einmal umgebaut?“
Die Zeugin verneint: „Alles noch so, wie mein Vater es gebaut hat.“

Dann überlasse ich dem Bauunternehmer das Wort. Er darf seinen Triumph ruhig selbst auskosten, was er auch tut, während er sich erhebt, zum Richtertisch geht und einen Bauplan ausrollt.
„Das hier ist das Erdgeschoss. Wohnzimmer und Küche sind nur über einen Flur verbunden. Es gibt keine direkte Tür.“
Der Bürgermeister läuft krebsrot an, die Zeugin spricht plötzlich ganz leise: „Wieso haben Sie einen Plan von meinem Haus?“
„Weil mein Vater das Haus für Ihren Vater gebaut hat. Der Plan stammt aus unserem Archiv.“

Jetzt wandert das süffisante Grinsen ins Gesicht des Richters: „Soll ich die Akte zur Staatsanwaltschaft schicken oder wird die Klage zurückgenommen?“ Umgehend findet der Prozess ein für den Bürgermeister unrühmliches Ende. Der springt wütend auf und verlässt grußlos den Saal.

Ich schätze, so ein bis zwei Wochen wird er nicht mehr mit dem Bauunternehmer klüngeln.

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