Mond am Himmel

Lass den Mond am Himmel stehen (7.6.2020)

Gelungener Anfang: Unklare Situation, irgendetwas stimmt nicht, bedrohlich. Freak hört Vivaldi, Mutter sorgt sich, selbst Kajak-Fahren wirkt schaurig. Dann Klingeln, Batic und Leitmayer an der Tür, ernste Gesichter, lange Szenen ohne Worte, seltsame Fragen – so geht Krimi im Fernsehen.

Schon nach 15 Minuten formuliert Batic plötzlich ohne jegliche Faktenbasis die kriminalistische Hypothese: Der Junge hat etwas gesehen, was er nicht hätte sehen sollen – so geht Fahndung in der Realität.

Wir ahnen: Die Lösung ist zum Greifen nah. Wir wissen nur noch nicht warum und welche Lösung.

Der Vivaldi-Freak taucht erneut auf, meine Lebensgefährtin sagt: „Der war’s“. Es ist gerademal 20:36 Uhr und ich checke überhauptnix.

München-Fans erfahren nun, auf welchem Parkplatz das Kontaktverbot nicht gilt und ab der 30. Filmminute auch für mich klar: Der Bub ist tot. „Der Neue der Mutter kommt auch in Betracht“, sagt meine Lebensgefährtin dazu – während ich noch auf Videos vom Parkplatz warte. Vergeblich.

Anhand welcher Liste die Kripo dann alle Parkplatzbesucher vernimmt, bleibt unklar. Es wäre auch nicht recht erklärlich. Hauptsache mal Einsatz gezeigt.

Sodann entwickelt sich ein fein verästeltes Beziehungsdrama, weil der Mensch eben Mensch und ihm nichts fremd ist. Das gibt dem Film Pep und meiner Lebensgefährtin Anlass, einen dritten Tatverdächtigen zu benennen.

Vor der Auflösung müssen sich Juristen kurz die Ohren zuhalten, weil Eltern die Anwesenheit bei der Vernehmung eines Minderjährigen verweigert wird und eine Anwältin – ebensowie die Kripo – den Tatbestand einer Stōrung der Totenruhe nicht kennt.

Aber am Ende ist der Tatort gelungen, die kriminalistische Hypothese wie meistens misslungen und die Lebensgefährtin im dritten Anlauf erfolgreich. Zweimal lag sie knapp daneben. Aber wirklich verdammt knapp.

Der letzte Schrey

Der letzte Schrey (1.6.20)


Es gibt Tatorte, die sollen komisch wirken (Tatort Münster) und solche, die unfreiwillig komisch wirken (die meisten anderen). Ist weder das eine noch das andere der Fall, ist der Tatort zumindest nicht gänzlich misslungen.

Der Tatort aus Weimar krankt generell daran, dass er sich nicht entscheiden kann, was er sein will. Darum werden durchaus ernste, teilweise sogar brutale Fälle ermittelt von Beamten, die auftreten wie Komiker. Das hat noch nie überzeugt und ging auch diesmal wieder voll daneben.

So bei Herrn Lessing: Der sollte doch wie jeder wissen, dass es auf einem Bauernhof Werkzeuge aller Art gibt, also große, kleine, lange, kurze. Warum springt er dann in eine Jauchegrube, um ein darin schwimmendes Beweismittel zu sichern?

Und dann diese Frau Dorn: Alleine zuständig, um beim erpresserischen Menschenraub die Geldübergabe zu überwachen. Leider verfährt sie sich im Wald. Weg ist die Million, dafür das Auffinden einer Leiche mit einem Blick geklärt: An der Hochspannung geleckt.

Gutes Stichwort. Ihr mich auch. Den Schwachsinn muss ich mir nicht geben.

Du allein

Du allein (24.5.2020)

Der Autor dieses Tatorts hat anscheinend die StPO gelesen und dann Staatsanwältin Àlvarez als fleischgewordenes Gesetz gestaltet: Herrin des Ermittlungsverfahrens! Also diskutiert sie in ihrem feudalen Büro mit den ermittelnden Kommissaren, zeigt ihnen Denkfehler auf, weist sie an zu weiteren Untersuchungen. Das ist zwar realitätsferne Fantasie erinnert aber daran, was der Gesetzgeber eigentlich gewollt und die Polizei tatsächlich daraus gemacht hat.

Lässt Frau Staatsanwältin die Kommissare mal deren Arbeit tun, suchen Lannert und Bootz wahrlich die Stecknadel im Heuhaufen: „Sie waren vor drei Jahren mit ihrer Frau im Kino. Was war da?“ Offenbar etwas Wichtiges, aber Im Computer ist nichts mehr, die Akte ist längst in „Papierform in einem staubigen Archiv am anderen Ende der Stadt„. Weiß Staatsanwältin Àlvarez und bestätigt, was Rainer Wendt immer schon wusste: Der verfluchte Datenschutz verhindert effektive Verbrechensaufklärung.

Derweil zieht eine Killerin mit dem Jagdgewehr eine Blutspur durch Stuttgart. Fällt das nicht auf? Nein, denn sie tarnt sich mit einer Burka. Das wirft spannende Fragen auf: Geht die Fahnderin, die nach eigenem Bekenntnis „seit drei Tagen dieselbe Unterwäsche“ trägt, endlich unter die Dusche oder erreicht die Ditib noch vor Ende der Sendung deren Absetzung?

Nichts davon geschieht, denn die Kommissare finden eine Zeugin, die vor drei Jahren Akteneinsicht hatte. So gelingt es, die archivierte Akte zu rekonstruieren, ohne ins staubigen Archiv zu müssen. Jetzt fehlt nur noch ein ganz abgefeimter Trick in Form einer fingierten Beerdigung – natürlich mit Zustimmung von Staatsanwältin Àlvarez. Und so wird zumindest das letzte potentielle Opfer gerettet.

Was haben die anderen falsch gemacht? Das zeigt uns Richy Mūller, als er nachts die Dienststelle verlässt und direkt davor ein Penner auf der Parkbank liegt. „Hey“ sagt er und schüttelt den Clochard, was bedeuten soll: Hingucken statt wegsehen – Zivilcourage!

Dafür bekommt Richy Müller auch das letzte Wort des Films: „Abführen!“ sagt er zum Schluss und das klingt richtig gut – sofern man es auf das gesamte Tatortteam bezieht.

Gefangen

Gefangen (17.5.2020)

Gähn. Schon wieder der Versuch eines Psycho-Tatorts. Wahnvorstellungen, Psychosen, Drohung mit Suizid, Geister der Vergangenheit, denen man im Schwimmbecken nicht davon kraulen kann, Gefängnis im Kopf. Auch bei Ballauf, der mit einer Schizophrenen deren Gemälde analysiert. Leben ist grausam und traurig aber Irre untereinander verstehen sich.

Irre bzw. rechtswidrig mal wieder seine Ermittlungsmethoden: Her mit der Patientenakte, sonst „Anordnung der Staatsanwaltschaft“. Die Ärztin kuscht.

Währenddessen liefert Schenk sich Wortgefechte mit einem Anwalt. Weder Moral noch Spekulation seien „ein belastbares juristisches Kriterium“, erfahren wir dabei. Erste Zweifel an der Qualifikation des Juristen tauchen auf. Die sich noch verstärken, als der später freiwillig mitgeht zum Verhör.

Ein beim Schießtraining verballertes ganzes Magazin befreit Ballauf noch nicht von seinem Wahn, das Kölsch danach am Rheinufer aber schon. „Freddy, ich glaub, ich werde verrückt.“ Endlich ist es raus. Über Ängste reden heißt Ängste überwinden. Von nun an ist Ballauf geheilt. Und er heilt gleich noch die Schizophrene, die umgehend aus der geschlossenen Anstalt entlassen wird.

Schon 30 min vor dem Ende scheint der Fall gelöst, der Haftrichter ist überzeugt. Kölsch-Trinken wäre angesagt, hätte Ballauf nicht plötzlich einen lichten Moment: „Der Anwalt ist doch Strafverteidiger, die erschießen nie andere mit der eigenen Waffe.

Als sich dann eine Randfigur erhängt, wird der Verdacht zur Gewissheit, denn „Wir haben den Falschen“. Und so lüftet sich der Vorhang. Ballauf und die Schizophrene – Irre untereinander verstehen sich.

Festnahme in der Badewanne, Fall gelöst. Jetzt Kölsch, oder? Nee, schon wieder Psychiater. Na dann trink ich eben alleine, anders ist das ja nicht auszuhalten.

Borowski und der Fluch der weißen Möwe (10.5.20)

Borowski und der Fluch der weißen Möwe (10.5.20)

Auftakt auf einem Hochhausdach. Polizeischüler versuchen eine Selbstmörderin vom Sprung abzuhalten. Hektisch schreien sie durcheinander: Wie heißt du eigentlich? Zigarette? Bist du schon mal geflogen? – Und weg isse… Für mich realistisch, ich glaube in solchen Extremsituationen wird nicht immer so abgebrüht-therapeutisch geredet, wie man das sonst sieht.

Dann Aggressionstraining in einer Polizeischule. Es eskaliert und endet mit Gemetzel und Blutbad. Überraschend.

Hoffnung keimt auf. Endlich mal wieder ein guter Tatort?

Nächste Szene: Wer trägt die Verantwortung gegenüber dem Minister? Borowski, seine Kollegin oder gar sein Chef? Das muss man ja mal diskutieren, denn wenn einer tot ist, braucht‘s eben einen Verantwortungsträger.

Da die Täterin Polizistin ist, wird dann viel zu ihrer Entlastung ermittelt und gleich vor der Polizeischülerklasse die diskutiert. Lernen am konkreten Fall, wobei irgendwie die Hälfte der Klasse offenbar einen Dachschaden hat. Nehmen die denn da heutzutage jeden?

Boxen hilf irgendwie und dann taucht auch gegen Mitte des Films die Titelfigur auf, landet während der Durchsuchung einfach in einem Zimmer. „Husch, geh weg!“, sagt Borowski, und dann: „Sie kommt nicht mehr.“ – womit er die Hochhausspringerin meint. Der Tod hat einfach etwas Endgültiges.

Die Polizeischüler mit dem Dachschaden üben dann noch etwas Selbstjustiz, danach endet es wieder auf einem Hochhausdach. Aber diesmal dürfen die Profis ran: Borowskis Kollegin gibt die Psychologin, er selbst tritt hier eher brachial auf. Ein Wunder, dass der Lebensmüde nicht springt, sondern festgenommen werden kann.

Zum Abschluss die lustigste Belehrung aller Zeiten: „Alles, was Sie von jetzt an sagen, kann UND WIRD vor Gericht GEGEN Sie verwendet werden.“

Ein ganz passabler Tatort und ein lehrreicher dazu, denn die falsche Belehrung bestätigt mal wieder: Schweigen ist eben Gold.

26.4.2020

National feminin (26.4.2020)

Mord, Vernehmung, Hausdurchsuchung. Bei den Mitgliedern der WG, in der das Opfer wohnte. Begründung: „Das ist bei uns Routine.“ Offenbar ist es auch Routine, keine Strafrechtler zu fragen, bevor sowas abgedreht wird.

Dann längerer Leerlauf, als ich wieder aufwache rollen gerade ein paar Demonstranten ein Plakat vom Dach des Polizeipräsidiums ab. „Landfriedensbruch“ stellt ein höherrangiger Polizeibeamter fest. Besser wieder einschlafen.

Dann wird einer abgestochen, aber überlebt. Der Täter ist kurz verdächtig, auch die Tat begangen zu haben, um die es eigentlich geht. Nachdem er das widerlegt hat, wird er mit Samthandschuhen angefasst und schließlich sogar laufen gelassen – nach einem Mordversuch!

Dann wird ein Handy geknackt und (Achtung!) sein Inhalt komplett ausgedruckt. Der Papierberg wird auf einem Wägelchen hereingefahren und umfasst ca. 10.000 Blatt Papier, das die Furtwängler und Kollegin Kasumba jetzt durchlesen. Wenn das alles Bestandteil der Akte wird, denke ich mir, werden die Beiden bald in die Putzkolonne versetzt.

Finale dann eher dichterische Freiheit: 2 Zeugen und ein Verdächtger werden zur Vernehmung gezwungen, in getrennte Räume verfrachtet und akustisch miteinander verbunden. Die Kommissarinnen verlesen Chat-Protokolle, um den Tatverdächtigen vor der von ihm schwangeren Freundin bloßzustellen. Diese wiederum soll dadurch zum „Einknicken“gebracht werden, sprich gestehen, dass sie dem Tatverdächtigen ein falsches Alibi gegeben hat. – Reden wir nicht weiter drüber.

Besagter Tatverdächtige tut dann noch das einzig Richtige und verlangt einen Anwalt. Die Rechtsauskunft der Vernehmungsbeamtin klingt pfiffig: „Ein Recht auf einen Anwalt haben Sie erst ab der Vernehmung zur Sache.“ Hat natürlich mit der Realität nichts zu tun, aber versuchen kann man´s ja mal.

Bin gespannt, wann das einer nachäfft und meine Mandanten diesen Spruch zu hören bekommen.

19.4.2020

„Die Guten und die Bösen“ (19.4.2020)

Good cop – bad cop?

Ein Polizist übt Selbstjustiz, seine gegen ihn ermittelnden Kollegen empfehlen ihm, die Sache doch „anders“ darzustellen, damit er nicht lebenslang für Mord ins Gefängnis muss.

„Kannst du nicht einfach behaupten, er hätte dich angegriffen?“ – Rät die Kommissarin. Wohlgemerkt: Das Opfer wurde an einen Stuhl gefesselt und mit einer Plastiktüte langsam erstickt. Der Täter hat zugesehen.

Ist das realistisch? Funktioniert so unsere Polizei? – Ich hoffe mal nicht!