Layla

Was ist eigentlich „Zivilcourage“?

Das Zigeunerschnitzel und der Mohrenkopf sind verboten„, höre ich immer wieder. Tatsächlich gibt es kein derartiges Verbot. Es wird nur seit Jahren darauf hingewiesen, dass diese Begriffe auf Menschen diskriminierend wirken können und man sie deshalb besser unterlassen sollte. Ergebnis: Die entsprechenden Speisen wurden umbenannt und mit den neuen Begriffen kann (fast) jeder leben. Das ist für mich Demokratie im guten Sinne, denn es hat sich eine Einsicht durchgesetzt und Vernunft walten lassen.

»Ich hab‘ ‚nen Puff und meine Puffmama heißt Layla – Sie ist schöner, jünger, geiler« ist nicht unbedingt die Krönung deutscher Dichtkunst, aber vom Diskriminierungsfaktor weit unter dem Zigeunerschnitzel oder dem Mohrenkopf. Ich wüsste noch nicht einmal, wer sich hier diskriminiert fühlen sollte. Und wenn besonders woke Mitbürger jetzt aufschreien, der Text sei sexistisch, so frage ich nochmals: Wer ist denn davon betroffen? Man weiß ja heutzutage nicht einmal mehr, ob Puffmutter Layla überhaupt eine Frau ist oder … Na, lassen wir das vorerst.

Die Stadt Würzburg hielt es dennoch für angebracht, das Lied auf einem Volksfest zu verbieten. Unabhängig von der durchaus interessanten Rechtsfrage, ob sie das überhaupt darf, ist das für mich schlechte Demokratie. Es ist eigentlich überhaupt keine Demokratie, sondern Obrigkeit.

Wenn Menschen sich an dem Text stören, müssen sie das eben äußern, notfalls demonstrativ das Fest verlassen. Und wenn andere Menschen sich mit den zuerst genannten Menschen solidarisieren möchten, sollten sie dies ebenfalls tun. Und wenn erstmal Gäste im niederen zweistelligen Prozentbereich einfach aufstehen und gehen, dann wird dieses Lied auch nicht mehr gespielt. Es braucht dazu noch nicht einmal eindeutige Mehrheiten.

Protest zeigen und danach handeln, wäre für mich wieder gute Demokratie, aber das hat die Stadt Würzburg leider verhindert.

Völlig unabhängig vom Gossenschlager Layla sehe ich solche Obrigkeitsentscheidungen auch deshalb kritisch, weil sie Zivilcourage verhindern. Wenn der Staat schon vorauseilend verbietet, was vielleicht zu Protesten Anlass geben könnte, dann muss das doch dazu führen, dass immer weniger ihren Protest artikulieren. Denn es genügt ja offenbar, einfach nach dem Staat zu rufen, der sich heutzutage nur zu gerne gegen Mehrheiten auf die Seiten von Minderheiten schlägt. Ist diese Verbotsgesellschaft das, was wir wollen?

Und nur mal ganz am Rande: Auch schlechte Kunst ist Kunst und genießt den Schutz der Verfassung. Wenn Gleichstellungsbeauftragte in Kommunalbehörden entscheiden dürfen, welche Kunst verboten wird, dann heiße ich dies Diktatur und warne vor der weiteren Entwicklung.

In memoriam FJS

Wie weit geht eigentlich die „Meinungsfreiheit“?

Eine der Merkwürdigkeiten unseres Strafrechtssystems ist, dass es dem Mörder nur 2 Instanzen gewährt, dem Ladendieb immerhin 3 und dem Pöbler sogar 4. Denn wer vom Amtsrichter wegen Beleidigung verurteilt wird, kann nach dem Land- und Oberlandes- noch das Bundesverfassungsgericht anrufen. Und dies sogar mit guten Erfolgsaussichten. Die Grenze zwischen einer strafbaren Beleidigung und einer zulässigen Meinungsäußerung ist schwammig. Du wirst, geneigter Leser, dich wahrscheinlich einfach nur wundern, wenn man dich freispricht, obwohl du Polizisten „dumm, unfähig, schikanös, machtversessen und niveaulos“ nanntest, aber oft nutzt man solche Formulierungen ja nur, weil man einem anderen mal so richtig die Meinung geigen will. Und wenn die Meinung betroffen ist, egal ob gegeigt oder gesungen, wackeln womöglich die Fundamente unserer Verfassung. Darum wird ein solches Urteil „ganz oben“ nochmal überprüft.
(Meine Auswertung der verfassungsgerichtlichen Judikatur hat ergeben, dass nur eine Gruppe wirklich sicher ist vor Pöbeleien: die Richter).

Früher, als angeblich alles noch besser, der Himmel weiß-blauer und die Politiker originaler waren, nannte einer von denen mal einen anderen:

„eine armenische Mischung aus marokkanischem Teppichhändler, türkischem Rosinenhändler, griechischem Schiffsmakler und jüdischem Geldverleiher und ein Sachse.“

Dieses Zitat hätte heutzutage hinreichend Potential, von der öffentlichen Empörung bis zum Staatsanwalt jeden auf den Plan zu rufen, der oder die gerade nichts zu tun hat, schon immer mal was sagen wollte und am liebsten alles verbieten möchte. Es würde mindestens als Ehrverletzung, wahrscheinlich sogar als Volksverhetzung gedeutet, locker ein Sommerloch füllen und schneller zum Rücktritt des Zitatverfassers führen, als ein Andreas Scheuer überhaupt Maut sagen kann.

Denn es gilt als Fortschritt, alle Klischees über andere Nationen, Religionen, Regionen, Professionen usw. zu unterdrücken. Je bildhafter, blumiger, bunter die Sprache, desto größer die Gefahr, dass sich irgendwer angeblich beleidigt fühlt. Vorausgesetzt, eine bestimmte Wortwahl wurde bereits von anderen als rassistisch oder sexistisch definiert. Selbst hätte der angeblich Beleidigte es oft gar nicht bemerkt.

Der jüdische Geldverleiher dürfte zwar damals bereits grenzwertig gewesen sein, dem türkischen Rosinenhändler wird man aber erst heute und nur zwecks Bauchbepinselung seines despotischen Staatspräsidenten eine Ehrverletzung zugestehen. Der marokkanische Teppichhändler wartet nach meiner Einschätzung gerade auf seine Entdeckung durch unsere Oberkorrektoren. Er könnte kurzfristig zum Unwort werden – oder auch nicht. Korrekte Sprache ist Glückssache. Der griechische Schiffsmakler schließlich kann sich grün und blau über diese Titulierung ärgern, hat aber kaum Chancen auf dem Index zu landen. So ungerecht ist die Welt.

Wer darüber entscheidet, was man bedenkenlos sagen darf und was nicht, wabert im Dunkeln. Eine offizielle Zensurstelle gibt es nicht. Mir scheint, die Aufseher über unsere Sprache sitzen noch nicht einmal in Regierungskreisen. Sie haben es lediglich geschafft, sich durch dauerndes öffentliches Empörtsein zur pseudomoralischen Instanz aufzuschwingen. Irgendeine Autorität ist damit nicht verbunden, die braucht es aber auch nicht, denn es zählt allein der einschaltquotenrelevante Heulsusenfaktor.

Wegen des obigen Zitats würden sie aktuell wahrscheinlich medienwirksam in Ohnmacht fallen. Doch als es seinerzeit ausgesprochen wurde, blieb es folgenlos für den Verfasser Franz-Josef Strauß und den so gescholtenen Hans-Dietrich Genscher. Denn zu jener Zeit durfte man so etwas sagen, was aus der Vergangenheit wirklich einmal die gute alte Zeit macht. Hauptstadt war damals noch nicht das glas- und stahlstrotzende Berlin, sondern das verschnarchte zementklotzige Bonn. Zumindest mir aber wird wehmütig ums Herz wenn ich zurückdenke, wie frei wir damals reden durften.