Die Bundesnotbremse

Was ist eigentlich eine „Inzidentkontrolle“?

Wer sich hierzulande wann an welche Vorschriften halten muss, ist eine oftmals nur sehr schwer zu beantwortende Frage, denn nicht jede Norm bindet automatisch auch jeden.

Die ständig und bei jeder Gelegenheit zitierten Grundrechte gelten beispielsweise nicht zwischen Eheleuten. Nach dem strikten Wortlaut der Verfassung (Art. 1 Abs 3 Grundgesetz) binden Grundrechte ausschließlich den Staat. Nur über ein sehr verzwicktes Konstrukt, genannt „mittelbare Drittwirkung“, kommen wir dazu, dass der Ehemann seine Meinung gegenüber der Ehefrau frei äußern darf.

Je tiefer wir von den Grundrechten hinabsteigen in die Niederungen des Rechts, desto verzwickter wird es mit dessen Geltung. Unser Strafgesetzbuch beansprucht Geltung für alle Deutschen egal, wo auf der Welt sie sich aufhalten. Aber wie ist das mit dem Landesrecht? Muss der Kölner in Düsseldorf sich an Kölsches Stadtrecht halten? Und wieso gilt das bayerische Reinheitsgebot für norddeutsches Bier? Fragen über Fragen.

Ähnlich kompliziert ist die Antwort auf die Frage, wer ein Gesetz für unwirksam erklären darf und wer es gegen seine Überzeugungen auszuführen hat. Die aktuelle Corona-Lage liefert uns dafür ja eine Fülle von Beispielen. Die Allgemeinverfügung des Landkreises kann durch ein Verwaltungsgericht für ungültig erklärt werden, die jeweilige Coronaverordnung des Bundeslandes nur durch das Oberverwaltungsgericht. Dies wiederum nicht in Rheinland-Pfalz, weil dort Minister als Verfassungsorgane gelten und ihre Verordnungen darum dem Zugriff der Justiz entzogen sind. Es sei denn, man geht zum Landesverfassungsgericht.

Und während die Bußgeldbehörde einen Verstoß gegen Ausgehverbote sanktionieren muss, kann der Amtsrichter, der später über das Bußgeld zu entscheiden hat, das Verbotsgesetz auch einfach für rechtswidrig erklären.

Du wirst, geneigter Leser, nun darüber staunen, dass Amtsrichter Gesetze aushebeln. Tatsächlich tun sie das aber nur in dem Einzelfall, den sie gerade zu entscheiden haben. Bekommen 100 Versammlungsteilnehmer ein Bußgeld und nur einer geht dagegen vor, dann wird eben nur der freigesprochen. Die anderen müssen zahlen. Sie können dann höchstens gegen diese Ungleichbehandlung demonstrieren und sich ein neues Bußgeld einfangen.

Warum ist das so? Nun, ein Richter muss, so will es die reine Leere, jedes Gesetz, mit dem er gerade arbeitet, zunächst einmal darauf abklopfen, ob es auch verfassungsgemäß ist. Das ist die besondere Juristenkunst, an der jene scheitern, die meinen, es komme auf den gesunden Menschenverstand an. Manch ein Schlaumeier kann bestimmt viel besser erklären, weshalb er ein Gesetz für welthistorisch, geopolitisch, soziokulturell und makroökonomisch unsinnig hält. Er übersieht aber leider, dass im Stadtrat von Posemuckel der Vetter des Bauunternehmers mit abgestimmt hat, als die Ausnahme von der Regel beschlossen wurde. Genau das wäre der richtige Hebel gewesen.

Und damit solche Schlauberger nicht vom Schweiß der Edlen, also der Juristen, profitieren, prüfen Richter nur inzident. Sie entscheiden im konkreten Fall, ob sie ein Gesetz anwenden oder nicht. Alle anderen Fälle sind davon nicht betroffen.

So entwickelt sich unser Rechtsstaat munter weiter zum Flickenteppich. Das eine Verwaltungsgericht sagt so, das nächste anders, Richter A sagt B, Richter B sagt aber A. Das mag man kritisieren, doch wir haben es mit Recht zu tun, also mit von Menschenhand gemachten, nicht mit Naturgesetzen. Richtig oder falsch kann es da eigentlich nicht geben. Stattdessen ist die Rechtsfindung ein endloses Ringen um die richtige Lösung. Die kann von Fall zu Fall, von Landkreis zu Landkreis, von Gerichtsbezirk zu Gerichtsbezirk anders aussehen. Sie bleibt ein steter Kampf.

All dies gilt jedoch nicht, wenn das anzuwendende Gesetz ein Bundesgesetz ist. Was der Bundestag beschlossen, der Bundesrat abgesegnet, der Bundespräsident unterzeichnet und der Bundesanzeiger verkündet haben, das gilt. Da müssen sogar die Damen und Herren Richter kapitulieren und einfach nur noch das urteilen, was im Bundesgesetz eben drin steht. Ob das wirksam ist, Sinn macht, brauchbare Ergebnisse liefert? Völlig egal. Augen zu und durch. Denn über die Nichtanwendbarkeit eines solchen Bundesgesetzes darf nur ein Gericht auf der ganzen Welt entscheiden: das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe. Der Amtsrichter könnte allenfalls sein Verfahren aussetzen und dem BVerfG zur Prüfung schicken. Aber dann müssen die Gewissensbisse schon heftig und vor allem die Begründung exzellent sein.

Was in vielen Verfahren durchaus reizvoll, nicht selten auch erfolgversprechend ist, nämlich Bedenken gegen die Wirksamkeit eines Gesetzes zu formulieren, das ist beim Bundesgesetz meist nur vergebene Liebesmüh.

Darum ist die Neufassung des Infektionsschutzgesetzes so ein massiver Eingriff in die bürgerlichen Freiheitsrechte. Denn neben den aufgrund von RKI-Zahlen automatischen Einschränkungen wurde auch der Rechtsschutz dagegen praktisch gekappt. Gerade wo ich wohne – in Rheinland-Pfalz – war der private Raum bisher von den Corona-Maßnahmen absolut nicht tangiert. Nun hat der Gesetzgeber mit einem Federstrich tief in diese Privatsphäre hinreguliert.

Kein Wunder, dass alle Blicke sich nun nach Karlsruhe richten.

Strafbare Volkssprache

Was ist eigentlich eine „Bedrohung“?

„Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

§ 241 Abs.1 StGB

So steht es seit ewigen Zeiten im Strafgesetzbuch (StGB) und spaltet die Wissenden von den Unwissenden. Denn während Otto Normalverbraucher sich schon bedroht fühlt, wenn ihm jemand „Gleich setzt es was!“ entgegenschleudert, schauen die Juristen zuerst noch in § 12 StGB, wo geregelt ist, dass Verbrechen nur solche Taten sind, für die im Mindestmaß ein Jahr Freiheitsstrafe zu erwarten ist.
(Das Gesetz spricht sogar wörtlich davon, dass die Verbrechen mit Freiheitsstrafe „bedroht“ werden, was aber keine Bedrohung im Sinne des StGB ist.)

In der Praxis führt dies zu heftigen Scharmützeln vor Gericht. Man streitet gern um die Ernsthaftigkeit der Drohung, woran es bei Formulierungen wie „Ich schlag dich tot“ oder „Die nächste Kugel ist für dich“ fehlen kann. Und natürlich geht es stets um die Frage, ob die angedrohte Tat überhaupt schon Verbrechenscharakter hat. Wer Dir, geneigter Leser, einen Baseballschläger in die Zähne hauen will, droht mit einer gefährlichen Körperverletzung, aber nicht mit einem Verbrechen. Verfehlt er hingegen das Gebiss und trifft das Auge, könnte es sich um eine schwere Körperverletzung und damit durchaus um ein Verbrechen handeln. Aber wer will das wissen, solange damit nur gedroht wird?

Nun leben wir allerdings in Zeiten der Überregulierung und für den Gesetzgeber ist das Strafrecht schon länger nicht mehr das schärfste Schwert des Rechtsstaates, die Ultima Ratio, also das, was unerlässlich verboten werden muss. Stattdessen steuert man heutzutage über das Strafrecht, was allgemein als wünschenswertes Verhalten gilt. Das ist so ähnlich wie im Steuerrecht. Wenn der Dieselmotor auslaufen soll, wird die Mineralölsteuer erhöht und wenn ein Politiker statt der ersehnten Huldigung Kritik erfährt, gibt es eben neue Straftatbestände. Nicht die Sanktion begangenen Unrechts steht im Vordergrund, sondern die Weltverbesserung, der realitätsfremde Blütentraum. Darum werden wir alle, auch Du und ich, schleichend kriminalisiert. Was in China das Sozialpunktesystem erreichen soll, erledigt bei uns ein zunehmendes Gesinnungsstrafrecht.

Diesem ist nun auch der althergebrachte Bedrohungsparagraph zum Opfer gefallen, denn künftig bedarf es nicht mehr der Drohung mit einem Verbrechen. Vielmehr soll gelten:

„Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

§ 241 StGB – Entwurf

Da muss man erstmal tief durchatmen!

Die vom Strafrecht erfassten Fälle täglicher Streitereien werden sich ins Unendliche potenzieren. Der Deutschen Durchschnittsvokabular, das im Alltagsjargon so knackige Sätze enthält wie „Ich hau dir auf´s Maul“ oder „Ich trete dir gleich wohin“ – gerne auch ergänzt um die Bezeichnung konkreter Körperteile unter der Gürtellinie – ist künftig strafbar!
(Ob der mit Freiheitsstrafen drohende Gesetzgeber sich dann allein dadurch bereits ebenfalls strafbar macht, muss erst noch entschieden werden. Ich betrachte eine Strafvorschrift durchaus als Bedrohung meiner persönlichen Freiheit.)

Natürlich entsprechen vorstehende Beispiele nicht den Formulierungskünsten feiner Pinkel, das räume ich gerne ein. Aber muss man deshalb gleich zum Strafrecht greifen? Soll die Sprache des Volkes, so wie sie am Tresen, in den Fußballstadien, auf dem Bau oder am Fließband gesprochen wird, schon wegen ihrer Derbheit eine Straftat sein? Es mag in der Welt unserer Abgeordneten wünschenswert scheinen, auch im dichtesten Fastnachtsgetümmel noch höflich zu bleiben und betrunkene Narren korrekt aufzufordern, es doch bitte zu unterlassen, sich einer Frau unziemlich zu nähern. Ernst genommen wird aber nur, wer grimmig „Abstand! Sonst gibt´s was auf die Fresse!“ brüllt. Und das wird sich auch nicht wegen einer neuen Strafvorschrift ändern.

Bundestag und Bundesrat haben das Gesetz schon abgesegnet, es fehlt derzeit nur noch die Unterschrift des Bundespräsidenten. Wer nicht schon wegen eines losen Mundwerks bald verhaftet werden will, muss daher jetzt bereits an seinem Wortschatz feilen.

Als Jurist fixiert man sich dabei natürlich zuerst auf das Wörtchen „rechtswidrig“. Es scheint mir allerdings zu kompliziert, mögliche Rechtfertigungsgründe in meine Alltagssprache aufzunehmen, denn dann wäre sie ja keine Alltagssprache mehr. „Ich hau dir in Notwehr auf´s Maul“ gibt irgendwie nicht das wieder, was ich eigentlich sagen möchte.

Aber ich rede gern, wie mir der Schnabel gewachsen ist, darum ließ mir die Suche nach einer Lücke keine Ruhe, bis mir auffiel, was der Gesetzgeber bisher noch übersehen hat: Nämlich die Tatsache, dass der Mensch sich gerne an Dinge klammert, die ihm mehr wert sind, als beispielsweise seine Kinder. Das Auto wäre etwa so ein Ding und es würde mir relativ leicht über die Zunge gehen, jemandem zu sagen: „Ich trete Dir gleich eine Delle ins Auto.“ Doch Achtung: Autos können einen bedeutenden Wert haben. Die Formulierung gibt es auch in anderen Paragraphen und meint dann eine Wertgrenze von um die 1.500 EUR. Anderer Leute Auto zu bedrohen könnte folglich riskant werden.

Uneingeschränkt erlaubt bleiben dürften hingegen Verwünschungen gegen Haustiere. Dem Koi-Karpfen das Wasser abzulassen sollte man seinem Gegner vielleicht nicht androhen (Wertgrenze!), aber gegen dessen Hunde, Katzen, Vögel, Hasen und Hamster darf man ungeniert wüten – selbstverständlich nur verbal, denn der Tatbestand meint ja die Bedrohung, nicht die Umsetzung.

Charakterlich ist dies zwar eher mies, doch der Gesetzgeber zwingt ja dazu, indem er die Menschen ihrer Alltagssprache beraubt. Ob die Welt dadurch tatsächlich besser wird oder ob mit neuen Gesetzen auch Drohungen gegen Haustiere bald zur Straftat deklariert werden müssen, entscheiden die Damen und Herren in Berlin. Ich fürchte, sie werden den Schritt gehen.

Mit der aktuellen „Reform“ des Strafrechts haben sie sich jedenfalls in die Geschichtsbücher eingeschrieben. Künftige Historiker werden wohl urteilen: Ein überflüssiger Schritt für die Menschheit, aber ein rabenschwarzer Tag für die Haustiere.

Anmerkung

Nachdem der Bundespräsident nun unterzeichnet hat, tritt das Gesetz am 3.4.2021 in Kraft.

StVO 2020

Neue Verkehrsregeln

Soeben (28.4.2020 – Null Uhr) ist die StVO-Novelle 2020 in Kraft getreten. Die alte Faustregel zum Fahrverbot (mehr als 30 innerorts / mehr als 40 außerorts) ist damit passé. Ab sofort drohen Fahrverbote von einem Monat schon bei geringeren Geschwindigkeitsverstößen, nämlich ab 21 Km/h zu schnell innerorts und ab 26 Km/h zu schnell außerorts. Dies ist vor allem wegen der ständig zunehmenden 30er-Zonen misslich

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie häufig in einer Kreisstadt wie Bad Kreuznach dieses Schild (Zeichen 274.1) auftaucht:

Zeichen 274.1 StVO

Gar nicht oft? Genau da liegt die Tücke. Denn es steht eben nur am Anfang einer Zone und gilt dann für ein ganzes Stadtviertel. Sie selbst haben das Schild nach 2 oder 3 Kreuzungen vergessen, aber die dadurch angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung gilt fort.

Da Sie vorschriftsmäßig fahren wollen ist 50 Km/h Ihr Richtwert. Sie lassen das Auto also rollen, während die Tachonadel um die 50 herum zittert. Das können 45 Km/h sein, es können aber auch 55 Km/h sein – und schon ist der Lappen weg. Diese Neuregelung, die unsere „Mobilität sicherer, klimafreundlicher und gerechter“ (O-Ton des Bundesverkehrs- und Millionenverschwendungsministers) machen soll, ist also ein ganz besonders faules Ei!

Radfahrer dürfen jetzt nebeneinander fahren (wass sie ständig tun), am grünen Pfeil rechts abbiegen (was sie auch ständig tun) und demnächst sogar gegen Einbahnstraßen fahren. Jetzt aber noch nicht, auch wenn sie das ohnehin ständig tun.

Die ursprüngliche Idee, den Busssonderfahrstreifen für mehrfach besetzte KfZ zu öffnen, wurde gestrichen. Ein neues Schild für mehrfach besetzte KfZ gibt´s trotzdem. Wozu das gut sein soll, weiß niemand. Zeitgemäß durchgegendert ist das Schild auch nicht gerade.

Mehrfach besetzter PKW

Zusätzlich dürfen wir uns über einige andere neue Verkehrsschilder freuen und ganz viele Details, die unbedingt mal geregelt werden mussten – sofern man sonst gerade nichts zu tun hat.

Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die Tagespresse. Die berichtet ja fleißig.

Übrigens: Falls jetzt jemand meint, Kritik an der Erhöhung der Bußgelder sei bei Strafverteidigern so eiwas wie ein Beißreflex, verweise ich auch mal auf die gegenteilige Ansicht, die ein Kollege hier vertritt.

Kartoffelgefahr

Gefahr für die deutsche Kartoffel

Eine Gesetzesänderung von kaum überschaubaren Auswirkungen auf den Verbraucher wurde nun im Bundesgesetzblatt veröffentlich und ist daher seit dem 5.11.2017 wirksam.

Konkret geht es um Artikel 2 zur 13. Änderungsverordnung zur Pflanzenbeschauverordnung. Dort war bisher geregelt, dass die berufliche oder gewerbliche Einfuhr von Kartoffeln aus den Herkunftsländern Polen und Spanien mindestens einen Tag vor Ankunft der Kartoffel den Behörden gemeldet werden muss.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat nun jedoch die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf Kartoffeln aus Spanien gestrichen. Grund dafür dürfte wohl die Befürchtung sein, von Madrid sonst mit einem internationalen Haftbefehl verfolgt zu werden.

Außerdem wurde § 15 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a nun wie folgt gefasst: „a) § 1b Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 1 oder«. Was immer dies auch bedeuten mag. 

Ordentlich behördlich beschaut werden daher künftig nur noch polnische Kartoffeln. Für weitere Rückfragen zu dem Thema wenden Sie sich vertrauensvoll – bloß nicht an mich!

Berauschte Polizei

Berauschte Polizei

Sie ließen es gestern richtig krachen, denn so eine Party hat die Kreuznacher Polizei noch nicht gefeiert. Härter und exzessiver als bei den Berliner Kollegen auf dem G-20 ging es zur Sache. Den Anlass erläuterte der Pressesprecher der Kriminalinspektion freudestrahlend: „Am 24.8. ist das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ in Kraft getreten. Auf dem fortwährenden Weg in den Polizeistaat ist dies ein gigantischer Schritt. Teilweise Abschaffung des Richtervorbehalts, Staatstrojaner, Quellen-TKÜ, Online-Durchsuchung – nahezu das gesamte Arsenal totalitärer Diktaturen steht nun auch uns zur Verfügung.“


Besonders freut den Pressesprecher der Ablauf des Gesetzgebungsverfahren: „Zuerst gab es eine Kommission, die Vorschläge erarbeitet hat. Hier ein paar Vereinfachungen im Ermittlungsverfahren, dafür dort effektiverer Schutz der Rechte Einzelner. Das war ziemlich ausgewogen. Doch das mit den Bürgerrechten wurde dann gar nicht erst ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Die haben lediglich rein kosmetisch ein paar Beschuldigtenrechte vorgegaukelt. Kurz vor Schluss, hat die Regierung zudem auch noch klammheimlich ein paar richtige Hämmer eingebaut und die Verfassung so richtig gebogen. Ein derart gesetzwidriges Gesetzgebungsverfahren gab es noch nie! Für einen Rechtsstaat ist das zwar ein Hohn – aber wir als Polizei haben jetzt das Instrumentarium, das wir immer schon wollten. Es fehlt eigentlich nur noch die Folter.“


Der deutsche Michel nimmt das Gesetz wie üblich achselzuckend zur Kenntnis. Besonders bescheuerte Flachpfeifen kommentieren mit dem idiotischsten Satz aller Zeiten: „Ich habe schließlich nichts zu verbergen.“

Der Polizeisprecher freut sich währenddessen ein Loch in die Schirmmütze: „Am besten finde ich die neue Pflicht für Zeugen, bei der Polizei zu erscheinen und aussagen zu müssen. Das haben alle Vorgängerregierungen konsequent abgelehnt. Jetzt wurde uns die Regelung einfach so geschenkt. Noch dazu ohne Schriftform oder Ladungsfrist. Künftig können wir also an jeder Haustür klingeln und die sofortige Aussage erzwingen.“ Dann blinzelt er mit einem Auge. „Klar, dass wir den Leuten nicht gleich sagen, ob sie selbst oder enge Verwandte tatverdächtig sind. Erstmal reden lassen und anschließend belehren, wird unsere Maxime sein.“

Nur einen kleinen Wermutstropfen sieht der Ordnungshüter: „Theoretisch haben die Leute immer noch das Recht, einen Anwalt anzurufen. Wir werden das unterlaufen, indem wir erst nach Büroschluss verhören. Generell muss der Gesetzgeber da aber nochmal nachbessern. Aus Polizeisicht wäre es wünschenswert, Rechtsanwälten erst nach der Verurteilung Zugang zu Verdächtigen zu gewähren.“