Telekomiker

Eigentlich ist Prostitution ja verboten in diesen Corona-Zeiten, beim Besuch der Webseiten von Telefonanbietern scheint mir aber die Nähe zum horizontalen Gewerbe offensichtlich: Kunstvoll aufgepeppte Produkte springen einen aggressiv an, um sich zu verkaufen. Fragen zum konkreten Leistungsumfang hat, werden nicht zufriedenstellend beantwortet. Man wittert bereits vor Geschäftsabschluss, dass die schöne Fassade nur Trug ist.
Anders als die Hure versucht der Telefonanbieter allerdings, jeden direkten Kundenkontakt zu vermeiden. Man soll sich durch vorgegebene Frageprotokolle arbeiten (bloß keine individuellen Wünsche äußern) oder in einem „Chat“ mit Computern kommunizieren. E-Mail-Adressen oder Faxnummern gibt es generell nicht, Anrufer werden minutenlang durch Menüs geleitet, um letztlich auf einen Rückruf vertröstet zu werden. Keinesfalls will man schriftlichen Kontakt, was mich aber nicht davon abhielt, der Deutschen Telekom Ende Mai per Brief die Verlegung meiner Kanzlei in einen Ort mit anderer Vorwahl mitzuteilen. Mein Telefonanschluss möge doch freundlicherweise zum 1. Juli umgeschaltet werden.
Schon wenige Tage später erhielt ich – oh Wunder – die verbindliche Umzugsbestätigung nebst Bekanntgabe der neuen Telefonnummern. „Läuft“, dachte ich mir, gab neue Visitenkarten und Kanzleischilder in Auftrag und hakte die mit der Telekommunikation in Verbindung stehenden Aspekte des Umzuges ab.

Zwei Wochen später trat sie auf den Plan: Doreen. Unsere Beziehung währte nur kurz, etwa 5 Minuten, aber von all meinen Kurzzeitbeziehungen bleibt sie mir als die Unerquicklichste in Erinnerung. Doreen rief mich an im Auftrag der Deutschen Telekom und teilte mir mit, die Umzugsbestätigung sei null und nichtig, der Mitarbeiter völlig inkompetent gewesen, der Auftrag nicht „ins System eingebucht“. Aber sie, Doreen werde es nun richten, die Sache zum Guten wenden, den Auftrag völlig neu „ins System einbuchen“. Was mit meinen neuen Rufnummern sei, fragte ich sie ergriffen. Doreen meinte, die seien ebenfalls hinfällig. Und meine Schilder und die Visitenkarten? Sie werde versuchen zu retten was zu retten ist, mit viel Glück könne ich die Nummern behalten. Doreen mein Engel!
Noch selbigen Tags erhielt ich elektronisch eine neue Umzugsbestätigung für den 1. Juli, die Rufnummern blieben gleich, ich konnte das Thema Umzug meiner Telekommunikation zum zweiten Mal abhaken .

Dann kam der große Tag, der 1. Juli, an dem ich erwartungsfroh in meiner neuen Kanzlei saß und den für 8 – 12:30 Uhr angekündigten Techniker erwartete. Es kam – niemand! Anruf bei der Telekom, Warteschleife, Rückrufzusage, irgendwann tatsächlich ein Rückruf: Umzug? Welcher Umzug? Hier war mal ein Umzug für den 1. Juli gebucht, der wurde aber vor zwei Wochen storniert.

Doreen, wie schmählich hast du mich betrogen. Du bist die größte Enttäuschung meines Lebens. Möge dir etwas ganz Fürchterliches zustoßen, beim Händewaschen die Ärmel nach unten rutschen oder so ähnlich.

Und nun? Der Auftrag müsse neu ins System eingebucht werden, das könne dauern. Kommt der Techniker heute noch? Nö mit Sicherheit nicht.
Hallo??? Ich habe eine schriftliche Umzugsbestätigung, genau genommen sogar zwei, und eine Anwaltskanzlei, die dringend auf den Telefonanschluss angewiesen ist: Es wird Ärger geben! – Oh, wir werden es vordringlich bearbeiten .
Stunden später erneuter Rückruf der Telekom, ein neuer Sachbearbeiter stellt sich vor (hoffentlich sind alle bisherigen mittlerweile gefeuert). Er sei nun dafür zuständig, „mein Problem“ zu beheben. Wieso mein Problem? Ihr Problem! Jedenfalls werde er sich wieder melden sobald „das Problem“ gelöst ist. Und wann wird das sein? Da könne er sich nicht festlegen. Manche Probleme würden in 24 Stunden gelöst, andere nicht einmal in 7 Tagen. Sie wissen aber schon, dass ich eine Anwaltskanzlei … Ja, das wisse er, deshalb lege er sich ja auch nicht fest.
Zumindest die Rechtsabteilung scheint bei der Deutschen Telekom zu funktionieren, was mich nicht wundert, denn bei dieser Arbeitsweise dürfte die Abwehr von Schadensersatzansprüchen das Hauptgeschäftsfeld des Unternehmens sein.
Wie es weitergeht, ob ich jemals wieder einen Telefonanschluss haben oder künftig mit Rauchzeichen kommunizieren werde, steht im Ermessen der Deutschen Telekom. Und die macht mir nicht den Eindruck, als sei sie im Jahre 2020 technisch bereits ausreichend aufgerüstet, um den Umzug eines Telefonanschlusses zu bewältigen.

Ich warte währenddessen auf die zugesagte Lösung „des Problems“, sortiere die Bücher in meinen Regalen zum dritten Mal neu um und denke über Doreen nach. Was sie wohl gerade macht? Ob sie schon einen neuen Job hat? Wahrscheinlich nicht, denn die Bordelle sind ja geschlossen.

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