Diversity

Von falsch verstandener Toleranz

Dieser Tage schwadroniert das Anwaltsblatt über: „Diversity: Tipps für mehr Vielfalt in Kanzleien“. Dadurch durfte ich erfahren, dass das „Wording“ in Stellenanzeigen zu einem „Confidence Gap“ führen kann, weshalb man versuchen müsse, mögliche „Unconscious Bias“ aufzudecken. Soweit so normal, Inhaltsleere wird ja heutzutage gerne durch Fremdwörter kaschiert.
Informativ war dann aber der Nachtrag zu dem Artikelchen, wo als „Begriffserklärung“ erläutert wurde:

Die Bezeichnung weiß wird hier kursiv geschrieben, um zu betonen, dass es sich um keine reale (Haut-)Farbe, sondern um ein politisches/gesellschaftliches Konstrukt handelt.

Allein daran ist schon zu erkennen, dass wir es mit einer Ideologie zu haben, denn wenn Alltagssprache plötzlich nur in einem bestimmten Sinn verstanden werden soll, wird das freie Denken bereits eingeschränkt.

Weiter geht die „Begriffserklärung“ dann wie folgt:

Person of Color (sing.), People of Color (pl.), PoC (Abk.): selbstgewählte Bezeichnung vieler nicht-weißer Menschen, mit der die unterschiedlichsten sogenannten ethnischen Herkünfte zusammengefasst werden können.

Eine klassische Finte aus dem Arsenal der rhetorischen Taschenspielertricks. Denn während weiß zuvor definiert wurde als keine reale (Haut-)Farbe, wird über die Kehrseite des Wortes doch wieder dessen eigentlicher Sinn betont, wird dem Leser durch den Begriff nicht-weiß klammheimlich untergejubelt, das Gegenteil von Color sei eben nicht nur ein politisches/gesellschaftliches Konstrukt, sondern die konkrete (Haut-)Farbe.

Ich stehe nicht vor dem Problem größerer Personalanwerbungen, weshalb ich mir wenig Gedanken darüber machen muss, wie ich meine Mitarbeiterstruktur möglichst bunt gestalte. Aus dem gleichen Grund habe ich mir noch keine abschließende Meinung über Diversity gebildet. Aber ich verspüre Unbehagen, denn offensichtlich und entgegen der scheinheiligen „Begriffserklärung“ bin ich ja doch nur wegen meiner Hautfarbe bereits ein „politisches/gesellschaftliches Konstrukt“, das der Lebensplanung aller People of Color im Wege steht.

Mir scheint da eine neue Toleranzwelle auf uns zuzurollen, die den gleichen Fehler in sich trägt, wie so viele davor, denn sie transportiert nicht Vorurteilsfreiheit gegenüber dem Anderen, sondern Diskriminierung des Eigenen. Weil es andere Nationen gibt, sollen wir uns der eigenen schämen, weil es andere Religionen gibt, die eigene nicht mehr öffentlich praktizieren, weil es andere Geschlechter gibt, das eigene verleugnen. Das halte ich für einen Irrweg.

Von Toleranz als Chancengleichheit für Minderheiten bin ich ein großer Freund. Aber zugleich bin ich eben ein alter weißer Mann und noch so viele People of Color werden dies nicht ändern, weil man es nämlich gar nicht ändern kann.