Nationalhymne

Was passiert eigentlich beim „Verunglimpfen der Nationalhymne“?

§ 185 StGB regelt die Strafbarkeit der Beleidigung. Was jedoch eine Beleidigung ist, steht dort nicht, das muss in jedem Einzelfall neu geklärt werden. Grundsätzlich ist diese Klärung Aufgabe der Gerichte. Aber könnte das nicht auch die Regierung erledigen?

Altkanzler Kohl haderte bekanntlich zu Lebzeiten mit Karikaturen, die sein Gesicht in Birnenform zeichneten. Da könnte Angela Merkel doch tätig werden und festlegen, dass es als Beleidigung zu werten ist, wenn Politiker mit Fallobst verglichen werden. Zur Sicherheit könnte Frank-Walter Steinmeier noch zustimmen und schön wüssten die Gerichte künftig, wann ein dummer Spruch zur Beleidigung wird.

Klingt irgendwie schräg. Wer nur ein bisschen Gefühl dafür hat, was „Gewaltenteilung“ bedeutet, bekommt jetzt Bauchgrummeln.

Dennoch ist eine solche Vorgehensweise nicht ausgeschlossen, wie ein Beispiel aus dem Jahre 1952 zeigt. Damals, in den Gründerjahren der Bundesrepublik, arbeitete das Getriebe des Rechtsstaates noch etwas holperig. Der Bundesgerichtshof urteilte seinerzeit noch, dass Sinti und Roma für die Haft in den Konzentrationslagern der Nazis nicht zu entschädigen seien. Die „Zigeuner« hätten ihre Verfolgung schließlich durch »eigene Asozialität, Kriminalität und Wandertrieb« selbst verursacht (BGH, Urt. v. 07.01.1956, Az.: IV ZR 273/55). In dieser Zeit also war ungeklärt, was die Nationalhymne des jungen Staates sein solle.  Die Nationalflagge hatte im Grundgesetz eine eigene Regelung bekommen (Art. 22 GG), das als Hymne überlieferte Lied der Deutschen hatten die Alliierten jedoch 1945 als „nazitypisch“ verboten.

Nachdem Bundeskanzler Adenauer allerdings bei einem USA-Besuch mangels Hymne ein „Heidewitzka, Herr Kapitän« entgegengeschmettert worden war, sah er Handlungsbedarf. Bundespräsident Heuss war schon vorher initiativ geworden und hatte eine neue Hymne beauftragt. Die fiel jedoch bei ihrer Uraufführung durch und wurde fortan als »Theos Nachtlied« verspottet. In dieser Situation verständigten sich Adenauer und Heuss darauf, das alte Gedicht des Hoffmann von Fallersleben, gesungen auf die alte österreichische Kaiserhymne, künftig als deutsche Nationalhymne zu verwenden.

Bemerkenswert ist dies deshalb, weil die Hymne in § 90a StGB gegen Verunglimpfung strafrechtlich geschützt ist. Das konnten Heuss und Adenauer noch nicht wissen, aber irgendwann hätte doch eigentlich jemand fragen müssen, ob Kanzler und Präsident per Briefwechsel darüber entscheiden können, was in diesem Land strafbar ist. Zweifel an der Legitimation der Hymne sind deshalb nie verstummt, doch zumindest wer sich an der dritten Strophe des Liedchens vergreift, muss tatsächlich mit Bestrafung rechnen. So hat es das Bundesverfassungsgericht 1990 entschieden (konkret ging es um die Anspielung des Kopulierens mit einem Schaf – offenbar ein Running Gag im Bereich der Satire).

Wer nun denkt, die Nationalhymne sei zwar nicht durch Gesetz, aber zumindest durch die Verlautbarungen verschiedener Verfassungsorgane hinreichend geschützt, hat die Rechnung ohne die moderne Gender-Ideologie gemacht. Denn in der dritten Strophe des »Lied der Deutschen“ tauchen zwei Worte auf, die man heutzutage noch weniger in den Mund nehmen darf, als die Kampfrufe der Nazis. Die Rede ist von „brüderlich“ und „Vaterland“.

Künftig solle das „Heimatland“ besungen werden, fordert die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums hier. Und dieses möge künftig gefälligst „couragiert“ zusammenhalten. Was die Rechtssetzung durch einen Briefwechsel zwischen Kanzler und Präsident taugt, wird nun seine Bewährungsprobe erfahren. Denn das Duo Adenauer / Heuss hat eben das »Hoffmann-Haydn’sche Lied« zur Hymne erkoren und nicht eine Bearbeitung durch den Zeitgeist. Zumindest diese Beiden wären der aktuellen Verunglimpfung durch die Gleichstellungstante sicher „couragiert“ entgegengetreten.

Übrigens: Die Strafe beträgt bis zu drei Jahre Haft und die Tat ist von Amts wegen zu verfolgen. Zuständig ist die Staatsanwaltschaft Berlin.

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