Hausdurchsuchung

Was passiert eigentlich bei einer „Hausdurchsuchung“?

Wenn der Postmann zweimal klingelt, soll dies bisweilen freudig-erregt aufgenommen werden. Ist es aber die Polizei, die hereinwill, dürften die Betroffenen andere Gedanken hegen.

„Einfach nicht öffnen“, könnte dann eine naheliegende Überlegung sein. Ein guter Rat ist das nicht, denn das Klingeln wahrt nur den Anschein der Höflichkeit. Wer die Tür nicht freiwillig öffnet, wird kurz darauf wissen, was das „Gewaltmonopol des Staates“ in der Praxis bedeutet.

Dass ein Amtsrichter die Durchsuchung vorher erlauben muss, ist heutzutage Allgemeinwissen. Betonen die Politiker doch bei jeder Verschärfung der polizeilichen Eingriffsrechte die hohe Bedeutung des Richtervorbehalts. Daran ist zumindest wahr, dass in der Tat regelmäßig ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss vorliegt. Wie der zustande kam, soll hier vorerst nicht Thema sein.

Schlaumeier der Sorte „Google weiß Rat“ werden die Zeit, bis ihnen die eigene Haustür um die Ohren fliegt, dazu nutzen, sich schnell mit Argumenten aus dem Internet zu wappnen. Dort stoßen Sie regelmäßig auf drei angeblich äußerst nützliche Anweisungen:

1.) Prüfe den Durchsuchungsbeschluss sehr genau!

Dazu solltest Du, geneigter Leser, wissen, dass während Du – was eigentlich – prüfst, die Polizei schonmal Deine Schränke durchwühlt, Deine schriftlichen Unterlagen zerfleddert und in Deinen PC‘s nachschaut, was Du so treibst. Also lass das Prüfen, Du weißt eh nicht, worauf Du achten musst.

2.) Achte darauf, dass nur Deine Räume durchsucht werden!

Sätze wie „In diesem Zimmer wohnt nur meine Freundin“ oder „Ich habe hier nur einen Raum gemietet, den Rest des Anwesens darf nur der Vermieter betreten“ sind allenfalls dann angebracht, wenn die Durchsuchung in aller Herrgottsfrühe von einer Horde Morgenmuffel durchgeführt wird. Du verursachst damit nämlich Lachkrämpfe bei den Beamten und verbesserst die Stimmung ungemein.

3.) Verlange die Versiegelung der beschlagnahmten Papiere!

Wer das ernsthaft empfiehlt, hatte wahrscheinlich letztmals mit einer Durchsuchung zu tun, als Heinz Fischer gerade Bundespräsident wurde (das wurde er damals wirklich, allerdings in Österreich). Seither ist viel geschehen und wenn die Polizei die Erlaubnis zum Auslesen Deiner Papiere und Handys nicht gleich dabei hat, genügt ein Anruf.

Es trifft zu, dass die Durchsicht der Papiere ursprünglich mal dem Richter vorbehalten war und ab 1974 immerhin noch dem Staatsanwalt. Seit 2004 kann der Staatsanwalt diese Aufgabe aber an die Polizei delegieren und die entsprechende Vorschrift (§ 110 StPO) steht eigentlich nur noch deshalb im Gesetz, weil der Anschein erweckt werden soll, als würden Deine Persönlichkeitsrechte geschützt. Ehrlicher wäre es, den Paragraphen einfach zu streichen.

Kommen wir also zu dem, was wirklich wichtig ist:

1.) Mach keine Angaben zu gar nichts!

Klar kannst Du »Guten Morgen« wünschen und auf Nachfrage Deinen Namen sagen. Danach springe aber sofort weiter zu nachstehendem Punkt 2. Diskutiere nicht, rechtfertige Dich nicht, beantworte keine Fragen. Es mag ja sein, dass Du unschuldig bist, aber momentan glaubt Dir das leider keiner. Sonst würde Deine Wohnungstür nicht so aussehen, wie sie jetzt eben aussieht.

2.) Prüfe den Durchsuchungsbeschluss sehr genau!

Wie? Jetzt etwa doch? Ja, jetzt doch! Weil Du gleich erfährst, was Du dazu wissen musst: In jedem Durchsuchungsbeschluss steht, was gesucht wird. Zumindest sollte es dort stehen (ziemlich weit unten, kurz vor dem Ende). Wenn es sich tatsächlich um konkrete Gegenstände handelt, dann gib sie freiwillig heraus, denn damit ist die Durchsuchung erledigt. Steht da beispielsweise etwas von einer Schusswaffe, dann wird die Polizei die ohnehin finden. Also verursache nicht unnötig Probleme, notfalls leih Dir schnell eine bei Deinem Nachbarn und überreiche Sie den Beamten. Dann sind die zufrieden und ziehen ab.

Aber Vorsicht: Nicht immer sind die Durchsuchungsobjekte so genau bezeichnet, dass Du sie freiwillig herausgeben kannst. Wenn laut Durchsuchungsbeschluss einfach »Betäubungsmittel« gesucht werden, dann wird es Dir nichts nutzen, schamhaft errötet Dein Gramm Eigenbedarf auf den Tisch zu legen. Die suchen nämlich viel mehr und Du kannst nur hoffen, dass Dein Versteck gut ist (also nicht die Plastiktüte in der Klosettspülung!).

Ziemlich hoffnungslos ist Deine Situation auch, wenn der Ermittlungsrichter seine Lieblingsformulierung in den Durchsuchungsbeschluss geschrieben hat. Steht dort etwas über das »Auffinden von Beweismitteln, vor allem Unterlagen, Handys, PC´s usw.«, dann steht Dir das volle Programm bevor. Koch Dir einen Kaffee und springe zurück zu vorstehendem Punkt 1.

3.) Rufe einen Verteidiger an!

Das Recht auf einen Anwalt kann Dir niemand nehmen. Wenn der sein Geschäft versteht, wird er sich mit dem Verantwortlichen vor Ort verbinden lassen und anschließend entscheiden, welche weiteren Maßnahmen erforderlich sind. Das bedeutet nicht, dass er fünf Minuten später persönlich auftaucht (Hast Du schonmal darüber nachgedacht, wer das bezahlt?), aber er wird tun, was zu tun ist, um Dein Problem zu lösen.

Was das genau ist, wirst Du erfahren, wenn die Vorschussfrage geklärt ist. Bis dahin halte Dich an die obigen Ratschläge.

Opferanwalt

Was ist eigentlich ein „Opferanwalt“?

Immer wieder hört man Vorwürfe, der Strafprozess diene zu viel der Resozialisierung des Täters und zu wenig den Interessen des Opfers. Eine absurde Verdrehung der Tatsachen, denn es sind die Täter, die auf der Anklagebank sitzen und nicht selten deftige Strafen erhalten.

Natürlich gibt es bei manchen Straftaten auch Opfer, deren Interessen gewahrt werden müssen. Dies kann aber nicht zuvörderst Aufgabe eines Strafverfahrens sein. Gleichwohl macht es bisweilen Sinn, wenn auch Opfer an Prozessen teilnehmen und sich dabei anwaltlichen Beistandes bedienen. Gute Opfervertretung hat durchaus Möglichkeiten, einen Strafprozess entscheidend zu beeinflussen. Dazu benötigt der Anwalt aber zunächst einmal ein Handwerkszeug, das ihn den übrigen Prozessbeteiligten ebenbürtig macht, sprich: Erfahrungen als Strafverteidiger.

Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, den Ernst zu nehmenden Opfervertreter schon sprachlich abzugrenzen vom selbst ernannten Opferanwalt, der sich eher auf das Händchenhalten oder das Taschentuchreichen versteht. Für Letzteres gibt es mittlerweile ohnehin die psychosozialen Prozessbegleiter. Dazu bedarf es keiner anwaltlichen Qualifikation.

In meinem Roman »Rheingold! Reines Gold« habe ich den Opferanwalt einmal so geschildert, wie er nicht sein sollte:

»Der Opferanwalt ist eine eher moderne Erscheinung im Strafprozess und eine seltsame Figur obendrein, weil es ihn eigentlich gar nicht gibt. Das Gesetz kennt keinen Opferanwalt.
Allerdings können Verletzte sich einem Strafverfahren als Nebenkläger anschließen und dabei auch anwaltlichen Beistand hinzuziehen. Man spricht dann vom Nebenklagevertreter. Ferner gibt es Zeugen, die bei ihrer Aussage lieber auf fachkundigen Rechtsrat bestehen. In diesen Fällen kommt der Zeugenbeistand zum Einsatz.
Kollegen, welche derartige Jobs übernehmen, titulieren sich selbst gerne als Opferanwalt. Der Unterschied zwischen einem Nebenklagevertreter oder einem Zeugenbeistand und dem Opferanwalt ist der Gesichtsausdruck während der Verhandlung. Opferanwälte schauen stets so, als seien sie persönlich das Opfer.
Beim Betreten des Gerichtssaales reichen sie der Mandantschaft meist den Arm, um ihre Rückendeckung körperlich sichtbar zu demonstrieren. Im Prozess reden sie ständig von Schmerzen und Leiden und psychischen Folgen, anstatt vernünftige Fragen oder Anträge zu stellen.
Eine bisweilen sehr eingeschränkte Qualifikation ersetzt der Opferanwalt regelmäßig durch überbordendes soziales Engagement. Sobald das Opfer bei der Zeugenaussage ein paar Tränchen verdrückt, ist er es, der das Taschentuch reicht.

Deshalb wird die Rolle des Opferanwaltes häufig von Frauen übernommen. Männer, die als Nebenklagevertreter auftreten und sich dennoch als Opferanwalt bezeichnen, sind meist nur gewissenlose Heuchler, die auf das Schmerzensgeld geiern, welches sie sich vom Opfer zu einem hohen Prozentsatz haben abtreten lassen. Sie warten nur darauf, das Opfer finanziell melken zu können. Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen haben sie realisiert, dass sich die Opfervertretung nur rentiert, wenn der Täter hinterher zur Kasse gebeten werden kann.
So etwas lohnt sich vor allem, sobald Versicherungen eintreten, beispielsweise nach einer Amokfahrt oder einem Flugzeugabsturz. Da präsentieren sich sogar Verwandte dritten oder vierten Grades als Opfer, die durch den Tod des ihnen angeblich so nahe stehenden Menschen völlig den Halt verloren haben wollen, außerdem das Studium abbrechen mussten und noch drei Jahre später arbeitsunfähig sind wegen des Gedankens an längst vergessene tragische Vorfälle. Um darüber hinwegzukommen, bedarf es schon eines Schmerzensgeldes in amerikanisch-astronomischer Höhe. Ansonsten ist die Empörung sehr groß, die Entrüstung immens, gern auch die Enttäuschung ungeheuerlich.

Kurzum: Stellt man sich den Strafprozess als Gemüsegarten vor, dann sind Opferanwälte die Gurken darin.«

Rockerkriminalität

Was ist eigentlich „Rockerkriminalität“?

In der Presse wird gerne von spektakulären Razzien bei Motorradclubs berichtet. Anlass, einmal einen genaueren Blick auf die »Rockerkriminalität« zu werfen.

1. Rocker als organisierte Kriminalität

Mitte der 1980er Jahre entdeckte die deutsche Innenpolitik das Phänomen der organisierten Kriminalität als Thema. Auslöser waren Recherchen des Journalisten Dagobert Lindlau, welche dieser in seinem Buch „Der Mob – Recherchen zum organisierten Verbrechen“ (Hoffmann und Campe, 1987) zusammengefasst hatte. In dem Buch ging es ausschließlich um die Strukturen der italienischen Mafia sowie der chinesischen Triaden in Deutschland.
Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl regte unter dem Eindruck einer Bedrohung durch die Mafia auf einem Euro-Gipfel im Jahre 1988 die Gründung einer europäischen Polizeibehörde an. Bei den Mitgliedstaaten stieß er dabei überwiegend auf Ablehnung, weshalb zunächst ab 1993 lediglich ein „Project Team Europol“ in Den Haag installiert werden konnte. Letztlich zögerten sich die Vertragsbeschlüsse und deren Ratifizierung noch bis zum 1.7.1999 hin. Erst dann konnte ein Europäisches Polizeiamt (Euopol) offiziell seine Arbeit aufnehmen. Erster Präsident der Behörde wurde der Deutsche Jürgen Storbeck.
Diese setzte von Anfang an den Schwerpunkt auf den Einsatz der Informationstechnologie und strebte eine zentrale Datensammlung über Personen in Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität an. Hierzu wurden Fragebögen den einzelnen Mitgliedsstaaten Fragebögen übersandt, um zu eruieren, welche Probleme überhaupt bestehen könnten.
Die Auswertung der Fragebögen ergab, dass insbesondere in Dänemark, teilweise auch in anderen skandinavischen Ländern ein Problem mit dem gewalttätigen Auftreten der Motorradclubs Hells Angels und Bandidos bestand. Auf diese Weise gerieten „die Rocker“ ins Visier von Europol.
Durch den Europol-Präsidenten Jürgen Storbeck wurde umgehend der Vorteil dieses Ansatzes erkannt. Die noch junge Behörde Europol stand nämlich unter Erfolgsdruck und musste erst noch beweisen, dass sie einen Beitrag zur grenzüberschreitenden Polizeiarbeit leisten konnte. Die eigentlichen Akteure der organisierten Kriminalität (Mafia, Triaden usw.) ließen sich aber nicht ohne weiteres in Dateien erfassen, weil man ein Mafia-Mitglied eben nicht an seinem Äußeren erkennt.
Ganz anders die Motorradclubs: Deren Anzahl war überschaubar, die Mitglieder für Außenstehende unschwer zu erkennen. Zudem waren sie auch noch grenzüberschreitend tätig, da sie ja weltweit organisiert sind. Der Aufbau einer Rockerdatei war darum der ideale Testfall, um die Leistungsfähigkeit von Europol unter Beweis zu stellen.
Im Ergebnis ist also die Einordnung der Rockerclubs in den Bereich der organisierten Kriminalität nur deshalb zustande gekommen, weil Europol eine Zielgruppe brauchte, um Dateien anlegen zu können. Informativ dazu ein Auszug aus einem Interview der Journalistin Ulrike Heitmüller mit dem Europol-Präsidenten Storbeck in der Biker News 7/2014, S. 17-21:
Heitmüller: „Und haben Sie etwas über Kokain rausgefunden?“
Storbeck: „Nein, aber sie (die Rocker) haben Erkenntnisse angereichert. Zum Beispiel ist ja oft die Rollenverteilung bei einer kriminellen Organisation nicht klar. Das gilt auch für Rocker. Nun arbeiten Rocker häufig nach stark vorgegebenen Strukturen, das ist historisch so bedingt. Es sind ja alles ehemalige Militärs gewesen, die das aufgebaut haben. Vorne fährt der Chef des betreffenden Chapters, rechts außen der Waffenmann, links ist der für Finanzen und so weiter. Wir haben gesammelt, wer und warum die meiste Zeit mit den anderen zusammenhängt. Daraus kann man Rückschlüsse ziehen.
Wir konnten aber nicht feststellen, ob Kokain übergeben wird.“

2. Der Vorfall von Anhausen

Am 17. März 2010 hat ein Sondereinsatzkommando der rheinland-pfälzischen Polizei versucht, in Anhausen / Westerwald unbemerkt in das Wohnhaus einer Person einzudringen, die dem MC Hells Angels zuzurechnen ist. Das SEK bestand aus schwarz vermummten Gestalten, die sich nicht als Polizisten zu erkennen gaben. Nachbarn, welche die Szene beobachteten, riefen per Notruf 110 die örtliche Polizei, weil sie von einem Einbruch ausgingen.
Der Hauseigentümer fühlte sich nachweislich schön länger von Bandidos bedroht. Als er die Aktion bemerkte, dachte er an einen Angriff von Mitgliedern des Bandidos MC. Infolge dessen nahm er eine – von ihm legal besessene – Waffe und gab zwei Schüsse auf die Tür ab. Hierbei kam ein Mitglied des SEK zu Tode.
Der 2 Strafsenat des BGH hat den Schützen mit Urteil vom 2. Nov. 2011 freigesprochen, da festgestellt werden konnte, dass dieser irrtümlich von einer Notwehrsituation ausgegangen war. In Pressemitteilungen der Polizeigewerkschaft und verschiedener Innenminister wurde das Urteil unverhohlen kritisiert. Der BGH »ermutige Schwerkriminelle zu ihrem Tun«, war von Seiten der Politik zu hören.
Seither geistert der Vorfall als »Polizistenmord« durch die Presse und wird auch in den Lageberichten der LKA´s als »Tötungsdelikt« geführt.
Der damalige Vorsitzende des 2. Strafsenats am BGH hat sich in einer Kolumne in der ZEIT (Thomas Fischer: Notwehr: Das Recht muss dem Unrecht nicht weichen – Die Zeit vom 21.10.2015) unter anderem zu diesem Fall geäußert und aufgrund seiner Detailkenntnisse mitgeteilt, er halte den Vorwurf der Schwerkriminalität für abwegig, denn: »Der A war keiner. Er war nicht einmal vorbestraft. Der Vorwurf der versuchten Nötigung, der die ganze Hausdurchsuchung ausgelöst hatte, erwies sich als nicht tragfähig. Alle Waffen, die A besaß, besaß er erlaubterweise. „Bestärkung im Tun“: Was soll das heißen? Welches „Tun“ hat denn vorgelegen?«.
Und zu der öffentlichen Panikmache wegen des Vorfalls ließ derselbe Vorsitzende verlauten: »Innenminister und sonstige Klientel-Vertreter sollten, wenn sie schon keine Ahnung vom konkreten Fall und keine Legitimation zur Stellungnahme haben, ihre Nase da heraushalten und nicht versuchen, auf Kosten der Justiz ein paar Jubel-Punkte aus einer angeblichen Volksmeinung zu ergattern, die doch nur die einer eingebildeten Mehrheit ist.«

3. Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität – Rahmenkonzeption

Als Folge dieses Vorfalles in Anhausen hat eine Bund-Länder-Projektgruppe einen „Unterausschuss Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung“ (UA FEK) gebildet, welcher unter dem Datum 7. Oktober 2010 eine „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität – Rahmenkonzeption“ vorlegte. Das Dokument wurde vom Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz mit „VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ gekennzeichnet, weshalb ich davon absehe, es hier zu verlinken.
Da die von Polizei und Politik beständig behauptete Kriminalität der „Rockerclubs“ mit Mitteln des Strafrechts offenbar nicht beweisbar ist (es gibt kaum Verurteilungen), sollten durch die „Bekämpfungsstrategie Rockerkriminalität – Rahmenkonzeption“ Mittel und Wege aufgezeigt werden, um die Mitglieder der „Rockerclubs“ ohne den Nachweis von Straftaten zu kriminalisieren.
Erörtert werden „taktisch-operative Maßnahmen“, um Rocker in jeder nur denkbaren Situation so lange Repressionen auszusetzen, bis sie aus dem Club austreten.
Vorgesehen ist, dass Einsätze „grundsätzlich mit niedriger Einschreitschwelle“ (S. 13) durchgeführt werden, denn man möchte eine „Verunsicherung der Szene“ bewirken, wozu nach Einschätzung der Berichtsverfasser „offensives und konsequentes Auftreten und Vorgehen“ (S. 16) gehören.
Daher wird eine „starke Polizeipräsenz bei Veranstaltungen mit Rockerbezug“ (S. 15) gefordert. Polizisten sind angehalten, „entschlossen zu handeln sowie alles zu vermeiden, was den Anschein von Akzeptanz oder gar Vertraulichkeit erweckt“ (S. 16). Darüber hinaus ist „die polizeiliche Distanz zum Rockermilieu durch einen angemessenen sachlichen Sprachgebrauch zu unterstreichen“ (S. 16). Generell soll den Rockern eine „enge und anlassbezogene polizeiliche Begleitung“ zuteilwerden (S. 17) und zwar durch den „vorrangigen Einsatz qualifizierter Eingreifkräfte“ (S. 16). Gemeint sind wohl SEK´s.
Die zur praktischen Umsetzung dieser Ziele geforderten Maßnahmen beinhalten eine Anleitung zur Diskriminierung und wirtschaftlichen Vernichtung unbescholtener Bürger, wie sie wahrscheinlich seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts keine deutsche Behörde mehr zu verfassen gewagt hat.
„Kontaktaufnahme und Aussprechen von Empfehlungen gegenüber Veranstaltern (z.B. bei Messen, Sportveranstaltungen) außerhalb der Rockergruppen“ (S. 16) wird ausdrücklich gefordert. Insbesondere im Sicherheitsgewerbe ist es erklärtes Ziel des Berichts, auf Veranstalter einzuwirken, damit diese keine Aufträge mehr an Rocker erteilen (S. 50).
„Bei Vor- und Einlasskontrollen“ soll „das mehrfache Durchsuchen relevanter Personen angezeigt“ sein (S. 17), was keinen anderen Zweck haben kann, als Betroffene unnötig zu schikanieren.
Die allgemeine Verkehrskontrolle nach § 36 V StVO soll zweckentfremdet werden, um „Kontrollmöglichkeiten für ganzheitlich und umfassende Maßnahmen“ (S. 22) zu ermöglichen. Zu diesem Zweck sollen sogar die von Rockern verwendeten Fahrzeuge darauf überprüft werden, ob sie ganz oder teilweise entwendet wurden und ob die Zollbestimmungen bei Einfuhr dieser Fahrzeuge oder Fahrzeugteile beachtet wurden ( S. 49).
Abgehandelt wird zudem das komplette Repertoire des Eingriffsrechts (Personenkontrollen, Platzverweise, Ausschreibung zur Beobachtung, Razzien, Videoüberwachung, verdeckte Maßnahmen). Darüber hinaus soll auch auf der Basis verkehrs-, steuer-, gaststätten-, vereins- , versammlungs – und baurechtlicher Vorschriften „intensiv und niederschwellig“ vorgegangen werden (S. 42).
Unter Ziff. III.4.8. des Berichts (S. 21) wird sogar allen Ernstes angeregt, alle Rocker nicht nur erkennungsdienstlich zu behandeln, sondern auch ihre DNA zu erfassen. Es fehlt nur noch der Aufruf „Kauft nicht bei Rockern“
Bezüglich der Bewertung der Rocker kann der Berichtsverfasser offenbar nicht verstehen, dass es in diesem Lande einen Meinungspluralismus gibt. „Die Erfahrungen bei der Bekämpfung der Rockerkriminalität haben aber auch gezeigt, dass gleiche Sachverhalte sowohl auf polizeilicher, als auch auf justizieller bzw. ordnungsbehördlicher Seite durch die zuständigen Behörden mitunter unterschiedlich bewältigt bzw. sanktioniert werden“ (S. 17), stellt er etwas enttäuscht fest.
Darum wird der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eine „zentrale Bedeutung“ (S. 8) beigemessen, was konkret besagt, dass die Polizei die Hoheit über eine gleichgeschaltete öffentliche Meinung erlangen will. Gewährleistet werden soll dies durch eine „einsatzbegleitende und anlassunabhängige Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“, welche „ausgewogen die subjektive Sicherheitslage“ berücksichtigen soll. Man möchte also nicht mehr objektiv über konkrete Einsätze berichten, sondern im Stile der Springer – Presse manipulativ auf die Öffentlichkeit einwirken.
Um die Gleichschaltung gegen die bemängelte unterschiedliche Bewältigung rockerspezifischer Sachverhalte noch weiter voranzutreiben, nennt der Bericht als weiteres bedeutendes Ziel die „Information und Beratung der Politik … insbesondere im Hinblick auf Rechtsfortentwicklung“ (S. 7). Mit anderen Worten: Die Exekutive hat beschlossen, der Legislative (und sogar der Judikative?) künftig zu erklären, wie diese ihre Arbeit zu erledigen hat.
Dies führt zu absurden Konsequenzen: Am Karfreitag 2015 ist von einem Campingplatz in Rheinland-Pfalz ein Kleinkind in einen hochwasserführenden Bach gefallen und wurde abgetrieben. Der Bach passierte etwa einen halben Kilometer später das Clubhaus eines Rockerclubs. Die dort anwesenden Clubmitglieder sind unter Einsatz des eigenen Lebens in den Bach gesprungen und haben das Kind herausgeholt und wiederbelebt (es starb leider später im Krankenhaus). Die darüber verfassten Presseberichte der lokalen Zeitung führten zu einem Einwirken der örtlichen Polizei auf die Lokalpresse. Es sollte verhindert werden, dass über Mitglieder eines Rockerclubs positiv berichtet wird.
Wer also demnächst wieder die Berichte über Razzien liest, sollte sich einmal ernsthaft darüber Gedanken machen, von wem und zu welchem Zweck solche Berichte lanciert werden.