Racial profiling

Racial profiling

Im Zug Mailand-München, kurz hinter dem Brenner, sind sie plötzlich da: zwei österreichische Polizisten mit dem Kennerblick, dem Instinkt für die Nicht-Schengenraum-Angehörigen.
Höflich aber bestimmt durchstreifen sie den Zug, um in Ermangelung echter Nafris die so genannten „südländischen Typen“ zu kontrollieren, also Männer, halbwegs jung, weder blond noch blauäugig.
Ich erfahre so etwas wie die „Gnade der arischen Geburt“, bin also uninteressant für sie. Das geht nicht allen so im Großraumwagon.
Einer, den man landläufig arabischer Herkunft einschätzen würde, zieht seinen Pass schon bevor er dazu aufgefordert wird. Man ahnt, wie oft ihm dies mittlerweile passiert.
Ein anderer, ich habe ihn vorher reden hören, ist Italiener. Er wirkt sichtlich überrascht, zumal er im sensationslüsternen Fokus der Mitreisenden auch noch einige Fragen beantworten muss. Das wurde von den Anderen nicht verlangt.
Stimmt vielleicht etwas nicht mit seinem Pass? Bedarf es heutzutage besonderer Gründe, um nach München zu reisen? Oder gilt Mailand schon als Quell der Gefährder?
Als es vorbei ist, sitzt er da, der Italiener, öffentlich beäugt, und guckt ein wenig so, als habe man ihn beschuldigt, gerade in die Hose gemacht zu haben.
Er weiß nicht, was ich weiß, dass nämlich die Profiler ihre Kontrollen bewusst etwas weiter streuen, damit es nicht zu racial wirkt.
Als die Polizisten in den nächsten Wagon wechseln, bleibt ein Gefühl der Beklommenheit. Die neue Sicherheit, die man uns allenthalben androht, will sich nicht einstellen.
Ein halbes Jahrhundert bin ich ohne solche Maßnahmen Zug gefahren. Ich bräuchte sie auch künftig nicht.