Du allein (24.5.2020)
Der Autor dieses Tatorts hat anscheinend die StPO gelesen und dann Staatsanwältin Àlvarez als fleischgewordenes Gesetz gestaltet: Herrin des Ermittlungsverfahrens! Also diskutiert sie in ihrem feudalen Büro mit den ermittelnden Kommissaren, zeigt ihnen Denkfehler auf, weist sie an zu weiteren Untersuchungen. Das ist zwar realitätsferne Fantasie erinnert aber daran, was der Gesetzgeber eigentlich gewollt und die Polizei tatsächlich daraus gemacht hat.
Lässt Frau Staatsanwältin die Kommissare mal deren Arbeit tun, suchen Lannert und Bootz wahrlich die Stecknadel im Heuhaufen: „Sie waren vor drei Jahren mit ihrer Frau im Kino. Was war da?“ Offenbar etwas Wichtiges, aber Im Computer ist nichts mehr, die Akte ist längst in „Papierform in einem staubigen Archiv am anderen Ende der Stadt„. Weiß Staatsanwältin Àlvarez und bestätigt, was Rainer Wendt immer schon wusste: Der verfluchte Datenschutz verhindert effektive Verbrechensaufklärung.
Derweil zieht eine Killerin mit dem Jagdgewehr eine Blutspur durch Stuttgart. Fällt das nicht auf? Nein, denn sie tarnt sich mit einer Burka. Das wirft spannende Fragen auf: Geht die Fahnderin, die nach eigenem Bekenntnis „seit drei Tagen dieselbe Unterwäsche“ trägt, endlich unter die Dusche oder erreicht die Ditib noch vor Ende der Sendung deren Absetzung?
Nichts davon geschieht, denn die Kommissare finden eine Zeugin, die vor drei Jahren Akteneinsicht hatte. So gelingt es, die archivierte Akte zu rekonstruieren, ohne ins staubigen Archiv zu müssen. Jetzt fehlt nur noch ein ganz abgefeimter Trick in Form einer fingierten Beerdigung – natürlich mit Zustimmung von Staatsanwältin Àlvarez. Und so wird zumindest das letzte potentielle Opfer gerettet.
Was haben die anderen falsch gemacht? Das zeigt uns Richy Mūller, als er nachts die Dienststelle verlässt und direkt davor ein Penner auf der Parkbank liegt. „Hey“ sagt er und schüttelt den Clochard, was bedeuten soll: Hingucken statt wegsehen – Zivilcourage!
Dafür bekommt Richy Müller auch das letzte Wort des Films: „Abführen!“ sagt er zum Schluss und das klingt richtig gut – sofern man es auf das gesamte Tatortteam bezieht.