Was ist eigentlich ein „Armenrecht“
Wer auf dem Land aufgewachsen ist, kennt noch die Zeiten, als Italiener, Spanier, Portugiesen, dann Türken und zuletzt Polen „Gastarbeiter“ genannt, aber nicht wie Gäste behandelt, sondern zu primitiven Bedingungen in der Landwirtschaft eingesetzt wurden. Von Gastarbeitern hatte man sich grundsätzlich fernzuhalten, der Kontakt mit ihnen beschränkte sich auf das Herumkommandieren, wozu es eine eigene Sprache gab, deren Hauptmerkmal der Infinitiv war: Du machen dort sauber. Du räumen das weg. Du stellen keine Fragen. Wozu konjugieren, wenns auch einfacher geht?
Etwa zur gleichen Zeit – Anfang der 1980er Jahre – hat der Gesetzgeber den Begriff „Armenrecht“ als diskriminierend oder zumindest veraltet angesehen und ihn durch „Prozesskostenhilfe“ ersetzt. Klingt weniger abwertend, klingt moderner, klingt menschenwürdiger.
Die Justiz, vor der angeblich alle Menschen gleich sind, neigt allerdings zum Konservieren. Sie hat ihre Abläufe seit wem Kaiserreich kaum verändert, weshalb in Justitias heiligen Hallen mitunter Fossile der Rechtsgeschichte wandeln. Eines davon ist zu finden am Amtsgericht Bingen am Rhein. Es vereint das verstaubte Armenrecht mit der damals gepflegten Gastarbeitersprache. Ich vermute, es ist das am wenigsten in Anspruch genommene Formular Deutschlands. Oder würdest Du, geneigter Leser, dort zugreifen?
