Operation Rubikon

49 v. Chr. – Cäsar überschreitet den Rubikon. So lernen Schüler (hoffentlich immer noch) in Geschichte. Haben sie dazu noch Latein, müssen sie zusätzlich das berühmte „Alea iacta est“ mit diesem Ereignis verbinden und fleißig diskutieren, ob dies nun mit „Der Würfel ist gefallen“ oder „Die Würfel sind geworfen“ zu übersetzen sei, bevor sie erfahren, dass der Bildungsbürger Julius Cäsar den Spruch wahrscheinlich auf Griechisch rezitierte: ἀνερρίφθω κύβος.

Aus juristischem Blickwinkel war der Schritt über den Rubikon nicht weniger als ein Staatsstreich. Denn Cäsar war damals Prokonsul und genoss als solcher juristische Immunität. Wegen der zahllosen Straftaten, die ihm den Aufstieg zum mächtigsten Mann der Welt erst ermöglicht hatten, konnte er nicht angeklagt werden. Doch seine Amtszeit als Prokonsul lief ab, die begehrte Wahl zum Konsul, die ihm erneut Immunität gesichert hätte, hatten sein Gegner verhindert. Und darum stand der mächtige Cäsar am 10. Januar des besagten Jahres am Rubikon, dem Grenzfluss zwischen römischem Kerngebiet und der Provinz gallia cisalpina.

Drüben in der Provinz war er unantastbar – noch. Doch mit Überschreiten des Flusses würde er unweigerlich die Immunität verlieren, wäre nur ein gemeiner Verbrecher am Ende seiner Karriere. Darum entschied er sich, den Rubikon unter Waffen und mit seiner Legion zu überschreiten. Denn er wollte sich dem Recht nicht beugen. Der Rest ist bekannt: Die Republik starb (heldenhaft mit Cato in Utica), ein gallisches Dorf leistete Widerstand, Antonius und Kleopatra lieferten sich eine filmreife Liebesgeschichte und ein blasses, pickeliges Jüngelchen namens Octavian heimste 18 Jahre später als Kaiser Augustus die Lorbeeren ein.

Dieser Tage ist es hilfreich, sich solche Zusammenhänge nochmals zu verdeutlichen. Denn wir wissen nun sicher, dass BND und CIA jahrzehntelang rechtswidrig die Regierungskommunikation anderer Länder abgehört haben. Der deutsche Geheimdienst hat deutsches Recht gebrochen – ständig und massiv.

Dies alles wäre noch erträglich, denn der BND bricht ständig das Gesetz, er kümmert sich einen Dreck um den Rechtsstaat, ist wie alle Geheimdienste ein Staat im Staat, nichts anderes als eine kriminelle Vereinigung. Unerträglich wird der Vorgang erst durch den Namen: Operation Rubikon.

Wer sein Projekt so nennt, der will damit zum Ausdruck bringen, dass er sich als über dem Recht stehend betrachtet, sich an kein Gesetz gebunden fühlt, die Rechtsordnung zutiefst verachtet. Wer diesen Namen wählt, der überschreitet bewusst eine Grenze, streift die Fesseln der Gesetze endlich ab und – begeht Verfassungsbruch.

Vielleicht glaubt der BND ja tatsächlich, im Interesse der Bundesrepublik gehandelt zu haben. Aber es steht ihm nicht zu, dieses Interesse selbst zu definieren, denn dafür gibt es ein Parlament, dessen Wille ignoriert wurde.

Die Operation Rubikon ist darum auch heute noch das, was sie schon zu Cäsars Zeiten war: ein Staatsstreich.

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