Wozu nutzen eigentlich „Rechtssprichwörter“?
Wenn Juristen vom nemo-tenetur-Grundsatz oder vom venire contra factum proprium reden, tun sie das meistens, weil ihnen die Argumente ausgehen. So richtig im Volk verwurzelt sind diese Grundsätze schon deshalb nicht, weil dort die Lateinkenntnisse bedenklich nachlassen.
Eherne Rechtsprinzipien auf Deutsch sind selten und meistens schon so alt, dass sie fast genauso unverständlich wirken wie eine lateinische Sentenz. „Der Eid macht mündig“ ist so ein schwurbeliger Merksatz, den keiner mehr recht erklären kann. Unbekannt ist auch, warum dem Anderen billig sein soll, was dem Einen recht war. Der Verbraucherschutz hat uns das Prinzip „Augen auf, Kauf ist Kauf“ durchlöchert, darum gilt längst nicht mehr der Handschlag als Ausdruck des „Ein Mann ein Wort“.
Richtig kunterbunt wird es jedoch, wenn den Kindern im Lausbubenalter Strafrecht vermittelt werden soll. „Mitgegangen mitgefangen“ heißt es dann oder auch „mitgegangen mitgehangen“. Beides ist zweifelsohne falsch. Denn wer mitgeht ohne gefangen zu werden, hat Glück. Und wen der Staat nicht fängt, den hängt er auch nicht. Richtig wäre allein: Mitgefangen mitgehangen. Alles andere sind keine Rechtsgrundsätze, sondern lediglich Appelle an den Anstand. „Wenn du dabei warst, dann steh auch dazu“, wollen vorbildliche Eltern damit wohl ausdrücken. Das mag moralisch berechtigt sein, aus der Sicht des Strafverteidigers wäre es eher eine Dummheit.
Wer die Juristerei mit dem Pathos von Sitte und Anstand betreibt, rechtfertigt lediglich mein Lieblingszitat aus der Welt der Gesetze: Das Recht ist nicht für die Dummen da.